Wie sieht Heimat aus? Was bedeutet Vielfalt? Und was kann jede:r Einzelne gegen Rassismus und Diskriminierung tun? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährigen Couragetags an der Gesamtschule Seilersee am vergangenen Freitag. In allen Jahrgangsstufen setzten sich die Schüler:innen auf vielfältige Weise mit Themen wie Identität, Diskriminierung, Erinnerungskultur und gesellschaftlichem Zusammenhalt auseinander.

Bereits in Jahrgang 5 ging es persönlich los: In einer sogenannten Heimatrunde brachten die Kinder Gegenstände mit, die sie mit ihrer Heimat verbinden – oft symbolisch, manchmal emotional, manchmal überraschend schlicht. So wurden etwa ein Anhänger der heimischen Eishockey-Mannschaft, ein Mascarpone-Becher, Türkeifähnchen oder ein getragenes Deutschland-Trikot gezeigt.

Viele Schüler:innen brachten auch zwei Gegenstände mit – etwa ein Deutschlandtrikot und einen Frankreich-Reiseführer – und machten damit sichtbar, dass Heimat für viele mehr als nur ein Ort ist: ein Ausdruck hybrider Identitäten.

Auch Lehrkräfte beteiligten sich, sodass ein lebendiger Austausch über Herkunft, Zugehörigkeit und Mehrsprachigkeit entstand.

Anschließend reflektierten die Kinder im Stuhlkreis den Film Almanya – Willkommen in Deutschland*, der Migration aus Sicht einer türkischstämmigen Familie erzählt.

Der 6. Jahrgang hat sich in Rückbezug auf die historische Stadterkundung Iserlohns mit Rassismus und Antisemitismus im Nationalsozialismus mittels des Films Anton will in die Hitlerjugend auseinandergesetzt und im Anschluss Rollenspiele zum Thema Alltagsrassismus durchgeführt.

In Jahrgang 7 stand das Thema Gastarbeiterschaft im Mittelpunkt eines interaktiven Workshops in Kooperation mit dem Demokratiekino von tellerohnerand e.V.. Die Schüler:innen erfuhren, wie Arbeitsmigration die Geschichte Deutschlands geprägt hat– auch ganz konkret in ihrer Region.

Jahrgang 8 wurde durch den bekannten TikToker Anwar (s. Foto) für das Thema Rassismus sensibilisiert – mit klaren Botschaften, wie Alltagsrassismus erkannt und entgegnet werden kann. Gut kam bei den Schüler:innen auch an, dass deutlich gemacht wurde: Rassismus muss nicht hingenommen werden – er kann und darf auch angezeigt werden. Dabei ging es nicht darum, jede Anfeindung rechtlich zu verfolgen, sondern darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass rassistische Angriffe kein „Kavaliersdelikt“ darstellen, sondern oft einen Straftatbestand. Diese Botschaft erreichte die Schüler:innen – man konnte es in der regen Beteiligung und an der Ernsthaftigkeit der Rollenspiele und Erklärvideos sehen, die im Anschluss in Kleingruppen gedreht wurden.

Besonders eindrucksvoll war die Veranstaltung in Jahrgang 9: Ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene berichtete von seinem Weg in und aus dem rechten Extremismus. Eindrucksvoll schilderte er, wie verhängnisvoll biographische Krisen sein können, wenn Extremisten sie für ihre Zwecke ausnutzen. Er sprach darüber, wie schnell man sich an Hass, Gewalt und Exzess gewöhnen kann – und wie sehr das Leben anderer und das eigene dabei zerstört werden. Gleichzeitig zeigte er auf, wie Vergebung und Güte Menschen verändern können – bis hin zum Entschluss, sich aktiv gegen den Hass zu engagieren. Die Schüler:innen hörten überaus aufmerksam zu und stellten viele Fragen – biographische, politische, aber auch philosophische.

Die Schüler:innen der EF nahmen an einer besonderen Filmschau teil. Gezeigt wurde The Zone of Interest – ein eindringlicher Film über die Normalität des Grauens am Rande von Auschwitz. Der Film regt zur kritischen Auseinandersetzung mit moralischer Gleichgültigkeit, Mitläufertum und der Verantwortung des Einzelnen in totalitären Systemen an.

Selbstgestaltet, selbstmoderiert: Schüler:innen übernehmen Verantwortung

Der diesjährige Couragetag zeichnete sich besonders durch die Eigeninitiative der Schüler:innen aus. Zahlreiche Programmpunkte – von Workshops bis hin zu Reden – wurden in Eigenregie geplant und durchgeführt. Dieses Engagement trug maßgeblich zur Tiefe und Vielfalt der Auseinandersetzung bei.

In Jahrgang 10 übernahmen Schüler:innen selbst die Verantwortung: Sie bereiteten Workshops für andere Jugendliche vor und stärkten damit die Idee, dass Courage im Alltag beginnt – durch eigenes Handeln und offene Gespräche. Am späten Vormittag stand dann ein Kinobesuch auf dem Programm. Die Schüler:innen schauten sich Kontra an. Der Film fördert eine Auseinandersetzung mit sprachlichen Grenzüberschreitungen, Vorurteilen und der Frage, wie eine respektvolle Streitkultur gelingen kann – gerade im schulischen Kontext.

In der Q1 moderierten Schüler:innen selbstständig einen Workshop-Tag mit vielfältigen Angeboten: von einer Talkrunde mit dem Courage-Paten Hüseyin Tas (s. Foto), über eine Diskussion zu Sexismus bis hin zu Workshops über Rassismus und Faschismus.

In der Aula hielten ausgewählte Abiturient:innen der Q2 eindrucksvolle Reden zum Thema Courage. Persönlich und pointiert sprachen sie über Erfahrungen mit Ausgrenzung, über den Mut zur Zivilcourage und darüber, wie wichtig ein respektvolles Miteinander ist – in der Schule und darüber hinaus.

 

 

 

 

 

 

Der Couragetag hat eindrucksvoll gezeigt: Zivilcourage lässt sich lernen – im Gespräch, im Perspektivwechsel und im gemeinsamen Erleben. Die Schule lebt damit ihr Motto Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage auf überzeugende Weise.